Mein erster richtiger Halt in Bosnien und Herzegowina ist die Hauptstadt, Sarajevo. Ich habe etwa einen halben Tag eingeplant, schlafen werde ich in einer kleineren Stadt ein paar Kilometer nördlich. Wie ich bald bemerke, war es ein Fehler, mir nicht mehr Zeit zu nehmen. Denn Sarajevo ist mindestens zwei Tage und eine Übernachtung wert. Nicht nur ist das Stadtbild faszinierend – selbst als Laie merkt man, wie sich die Architektur aus der Zeit des Osmanischen Reiches und Gebäude im westlichen Stil aneinander fügen. Auch ist nach nur wenigen Schritten auf den Straßen Sarajevos spürbar, wie viel Geschichte hier geschrieben steht. Nicht nur im abstrakten Sinne. Häuserwände sind immer noch gezeichnet vom Krieg in den 1990er Jahren. Wer nur ein bisschen genauer schaut, kann unzählige Einschusslöcher entdecken.
Heutzutage kann man sich in Sarajevo sicher fühlen – auch wenn in den Tourismus-Hotspots Schilder vor Taschendieben warnen. Ich möchte mich mit dem Krieg und der Belagerung von Sarajevo auseinandersetzen und besuche das Museum of crimes against humanity and genocide.
Keine leichte Kost. Die Stimmung ist be-, fast erdrückend. Das Ende des Krieges ist gerade einmal 30 Jahre her, und so gibt es viel mehr, viel moderner wirkende Exponate, als ich es von Ausstellungen zu den Weltkriegen, über die in Österreich viel mehr gelehrt wird, gewohnt bin. Kleidungsstücke, Stofftiere, Waffen, Kochtöpfe, gespendete Nahrungsmittel, Comics. Jeder Gegenstand ist begleitet von einem kurzen Text – von Überlebenden, die sich beispielsweise daran erinnern, wie kleine Stückchen Schokolade das Ausharren zwischen Angriffen erträglicher machte.
Es ist fast unglaublich, dass diese Zeit kaum drei Jahrzehnte her ist. Denn heute pulsiert Sarajevo vor Leben. Ich nehme erneut an einer Free Walking Tour teil. Das Zentrum von Sarajevo aus der Zeit des Osmanischen Reiches ist ein Labyrinth. Ich bin ein bisschen überfordert damit, mit der Kamera zu hantieren und den Informationen der Tourleiterin zu folgen. Also beschließe ich, nachher nochmal an die eindrucksvollsten Orte zurückzukehren – für Fotos ohne den vielen anderen Leuten. Aber das war ein schlechter Plan, denn trotz Suchbemühungen finde ich sie einfach nicht mehr. Naja, ein paar andere Fotos hab‘ ich ja doch.
Ein Pflichtstopp für Touristen (vor allem für Österreicher:innen) ist die Ecke der Straße Obala Kulina Bana mit Zelenih Beretki. Denn hier wurde 1914 Kronprinz Franz Ferdinand erschossen. Heute befindet sich hier ein Museum, welches sich der Geschichte Sarajevos unter der Herrschaft der Habsburger befasst.
Zum Glück endet mein Tag in Sarajevo etwas aufmunternder: mit einem Besuch des The Sarajevo 80s Museum.
Eine kleine Zeitreise in die Stuben Jugoslawiens. Die liebevoll nachgebauten Küchen und Wohnzimmer sind voll möbliert. Es fühlt sich fast an wie ein Besuch bei den Großeltern. Vor allem die grauenvollen Stickbilder. Sogenannte Gobelins waren anscheinend Deko-Highlights in den 80er Jahren. Ein Glück, dass Trends sich wandeln.
Besonders cool ist, dass alle Ausstellungsstücke berührt werden dürfen. Darauf weist die Ticketverkäuferin beim Eintritt auch explizit hin. Gäste sollen die Schränke und Laden öffnen und noch mehr versteckte Schätze finden. So fühlt sich der Besuch auch an, wie eine Entdeckungsreise.
Es gäbe noch viel zu erleben, aber leider muss ich Sarajevo verlassen. Meine Reise geht weiter.


































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