Die Selbstbezeichnung Montenegros lautet Црна Гора – Crna Gora. Übersetzt heißt das „schwarzer Berg“, genauso wie der albanische Name Mali i Zi. Auch im Deutschen wurde das Land im 19. Jahrhundert Schwarzenberg genannt. Das legt nahe, dass Berge ein signifikantes Merkmal der Region sind.
Bisher habe ich die montenegrinischen Berge ja nur aus der Weite gesehen. Aber nun führt mich die Reise hoch hinauf. Nur ein kurzes Stück nördlich von Podgorica wandelt sich die Landschaft und ja, hier gibt es definitiv Berge.
Ich lege einen Stopp ein bei dem Kloster Morača ein. Das serbisch-orthodoxe Kloster wurde im Jahr 1252 erbaut. Allerdings hab ich Pech bei meinem Besuch, denn zwei Touristenbusse und ungefähr vier montenegrinische Schulklassen besichtigen das Gebäude ebenfalls. Kurz gesagt, beim Kloster ist die Hölle los. Nach ein paar Fotos mache ich mich schnell wieder auf den Weg, um den Menschenmassen zu entkommen.
Recht viel geruhsamer geht es allerdings auch bei meinem zweiten Halt nicht zu. Ich besuche den Biogradska gora National Park. Dessen Herzstück ist ein idyllischer See. Allerdings nicht um diese Jahreszeit. Das Gewässer ist fast gänzlich ausgetrocknet. Trotzdem ist dort ziemlich viel los und mein kleiner Spaziergang ist nicht so recht entspannend. Ich frage mich, wie überlaufen der See in der Hochsaison ist.
Nun beginnt der spannendste Reiseabschnitt des Tages: Die Berge rauf, zu meinem Nachtquartier, einer kleinen Almhütte. Zwölf Kilometer steile Schotterstraße, unzählige Serpentinen. Wenn das mein kleiner Renault Clio schafft, braucht in Wien niemand ein SUV, nur mal so nebenbei. Zum Glück kommt mir die gesamte Strecke über niemand entgegen – das wäre wirklich spannend geworden.
Wenn es nur eine Straße gibt, kann man sich immerhin nicht verfahren, und so finde ich meine kleine Almhütte ohne Probleme. Gut, dass ich bereits am Nachmittag ankomme, denn im Dunkeln würde ich dort oben nicht so gerne herumirren.
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| In der größeren Hütte, links, hab ich geschlafen. Ganz rechts ist die Dusche. |
Die Kommunikation mit den Gastgebern ist nicht einfach. Das Ehepaar empfängt mich mit außerordentlicher Herzlichkeit, spricht aber kaum ein englisches Wort. Mit Körpersprache und Google Translate schaffe ich es, einen Reitausflug zu vereinbaren. Der Hüttenwirt hält auf der Alm neben Kühen auch vier Ponys, eines davon ein absolut zuckersüßes Fohlen.
Nach dem äußerst großzügigen Abendessen wird es rasch stockdunkel. Klar, dort oben gibt es kaum Lichtverschmutzung. Glücklicher Weise ist es ein klarer Abend und ich kann zahllose Sterne sehen. Ein seltener, ganz besonderer Anblick, heutzutage.
Am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass ich meine Jacke doch nicht umsonst auf die Reise mitgenommen hab. Denn so hoch am Berg ist es noch am Vormittag bitterkalt und nebelig, auch im Sommer. Außerdem bläst Wind über die karge Hochebene. Ich klammere mich beim Frühstück an meine Teetasse und hoffe, dass sich die Sonne bald bemerkbar macht.
Aber ich hatte ja einen Ausritt vereinbart – „after Breakfast“ hatten wir gesagt. Und das hatten meine Gastgeber als unmittelbar nach dem Frühstück verstanden. Es hätte mich nicht gestört, ein bisschen zu warten, bis ich im Sattel nicht mehr bibbern würde, aber bevor ich mich versehe, sind zwei der Ponys gesattelt. Ich ziehe mir zwei lange Hosen übereinander an, die Gastgeberin borgt mir dankenswerter Weise Haube und Handschuhe. Und los geht’s.
Trotz Wind und diesiger Kälte bin ich schwer beeindruckt. Die Ponys erinnern mich an Isländerpferde. Ich schätze sie auf ein Stockmaß von 135 bis 140 Zentimeter – also ziemlich klein. Jedoch lässt sich mein Pony nicht mal anmerken, dass es mein Gewicht trägt, sondern spaziert energisch vorwärts. Leider weiß ich nicht, um welche Rasse es sich handelt, es ist allerdings gut möglich, dass es Montenegrinische Bergpferde, Domaci brdski konj, sind.
Schon bald wird mir bewusst, was für eine große Bedeutung die Ponys für die Arbeit in den Bergen haben. Wir reiten nicht etwa entspannt die Schotterstraße entlang, nein, sondern querfeldein, über Stock und Stein. Am Vortag bin ich ja schon etwas herumspaziert auf der Hochebene. Und dabei nur im Schneckentempo vorangekommen. Der Boden ist tückisch, wer nicht vorsichtig ist, stolpert schnell über die unzähligen Felsbrocken. Auch sind die Hügel steiler, als sie aus der Entfernung wirken. Aber die Ponys lassen sich nicht beirren und marschieren fast problemlos vorwärts – auf Gelände, auf dem ich mir zu Fuß ziemlich sicher beide Knöchel brechen würde. Es ist faszinierend, wie trittsicher diese Ponys unterwegs sind – vor allem, wenn ich sie mit anderen Pferden vergleiche, die oft auf quasi ebenem Grund schon über ihre eigenen Hufe stolpern. Zweifelsohne wurden diese Tiere für genau diese Umgebung gezüchtet. Hoch zu Ross kann ein Halter seine Kühe sicher sehr viel entspannter treiben, als zu Fuß.
Auch wenn es nur ein Schrittausritt war, dank des Geländes war der Vormittag definitiv aufregend genug. Ich wärme mich mit einer Tasse Kaffee auf, bevor es für mich wieder bergab geht.
Nach einigen kurvigen Bergstraßen muss ich mich von Montenegro verabschieden. Ich fahre über die Grenze nach Bosnien und Herzegowina. Dieses Mal nicht nur für eine Nacht, sondern für den nächsten Abschnitt meiner Reise.
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| Kurz nach der Grenze nach Bosnien und Herzegowina waren die Straßen in deutlich rustikalerem Zustand. Und plötzlich waren da Esel. |























